Mit: Christian Erdt, Benjamin Krämer-Jenster, Ulrich Rechenbach und Kruna Savic
Regie: Felicitas Braun Bühne und Kostüm: Sonja Böhm
Video: Moritz Grewenig Dramaturgie: Andrea Vilter
DIE
LÄCHERLICHE FINSTERNIS von
Wolfram Lotz eingeladen zum FESTIVAL PREMIÈRES,
2015
"Zwischen Kalauern und Kitsch wird
sehr sehenswert das ganz Große verhandelt: „Die lächerliche Finsternis"
von Wolfram Lotz am Staatstheater Wiesbaden." (FAZ)
"Wolfram Lotz’Hörspiel „Die
lächerliche Finsternis", in Wiesbaden gar nicht zögerlich auf die Bühne
gebracht." (Frankfurter Rundschau)
"Man verlässt das Theater beglückt und doch sehr nachdenklich. Und möchte alle reinschicken." (Strandgut)
„Die lächerliche Finsternis" Am Ufer des Hindukusch
12.01.2015, von Eva-Maria Magel
Das Grauen verkleidet sich zumeist grotesk und lustig. Bisweilen sogar
tatsächlich lächerlich, in kitschigen Anflügen. Hauptfeldwebel
Pellinger (Christian Erdt) und der Gefreite Stefan Dorsch (Ulrich
Rechenbach) sind in Afghanistan unterwegs, um den Deserteur Deutinger
zu finden (Benjamin Krämer-Jenster), der zwei Kameraden getötet haben
soll. Sie paddeln auf dem Hindukusch. Der ist ein Fluss, klar, denn nur
wir kriegsfernen Fernseh- und Internetjunkies glauben ja, was man uns
so vormacht. Dass der Hindukusch ein Gebirge sei, zum Beispiel. Pellner
aber, der war dabei. Und weiß: Hindukusch, das ist ein wilder Fluss
mitten im Regenwald Afghanistans. Kichern. Und so paddelt uns Wolfram
Lotz eindreiviertel Stunden lang zwischen Joseph Conrads „Heart of
Darkness“ und Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ auf den Wogen
echten Elends und echt falscher Bilder bräsiger Westeuropäer, auf
literarischen Versatzstücken, Filmzitaten und vor allem mit allen
Wassern des Theaters gewaschen diesen Strom aufwärts, bis zu einem
bitteren Ende.
Das ist ein lustiges, dessen Pulverdampf aber einem noch nachhängt,
wenn man das Theater verlässt. Und das ist schon ziemlich viel in einem
Gewerbe, in dem es wenig neue Texte gibt, die etwas wagen. Lotz’ „Die
lächerliche Finsternis“ ist fast schon anmaßend mit dieser Art, in
Bruchstücken, zwischen Kalauern und Kitsch das ganz Große zu
verhandeln, die Frage danach, wie es sich in dieser verdammten Welt
denn aushalten lasse.
Dazwischen werden Eier gebraten und Lippenbären geknutscht, was
Schauspielerin Kruna Savić ebenso virtuos erzählt wie den Monolog des
somalischen Piraten Michael Ultimo Pussi zu Beginn. Womit Felicitas
Braun auch das Thema erledigt, das der Text anschneidet: Ob in all
diesen Geschichten vom Kampf denn keine Frauen
mitspielten? Doch, eine
schon. Ansonsten aber spielen vor allem Erdt und Rechenbach so, dass
das winzige Studio sich zur Riesenbühne zu weiten scheint, und das fast
ohne Utensilien. Ein uralter Campingwagen und ein paar Einspieler
(Bühne und Kostüme Sonja Böhm, Videos Moritz Grewenig) genügen.
Man wird eben durch genau das geführt, was der Titel verspricht: Es ist
finster, und es ist lächerlich. Und ausgesprochen sehenswert.
(http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/die-laecherliche-finsternis-ufer-des-hindukusch-13364599.html)
Von Sylvia Staude
Wolfram Lotz’Hörspiel „Die lächerliche Finsternis", in Wiesbaden gar nicht zögerlich auf die Bühne gebracht.
Mit dem Grauen im Theater und in der Wirklichkeit beschäftigt sich –
unter vielem anderen – Wolfram Lotz’ Stück „Die lächerliche
Finsternis": Im Theater können die gerade Erschossenen wieder aufstehen
und von der Bühne gehen, in der Wirklichkeit ... Höchstens kleine
Kinder verwechseln die Ebenen; in Wiesbaden kommt zuletzt eines auf die
Bühne, reizend unaufgeregt lässt es sich fallen, liegt still, steht
wieder auf.
Auf Wiesbadens kleiner Studiobühne versuchen Regisseurin Felicitas
Braun und Bühnen-/Kostümbildnerin Sonja Böhm klugerweise gar nicht, das
dunkel Zusammengedichtete plausibler zu machen. Das Boot von Pellner
und seinem Untergebenen Dorsch ist eine Kreuzung aus Wohnwagen und
Zelt. Der Lippenbär geistert herum (mit Bärenkopf: Kruna Savic, die
auch Pirat Ultimo Pussi mit Stöckelschuhen und Ohrringen ist). Ein
Prediger (Benjamin Krämer-Jenster) tritt als Dragqueen für Arme auf.
„es gibt keinen Grund, mir das zu glauben", schreibt Lotz in einer Art
Theater-Manifest, „also tut es trotzdem!" Man tut es trotzdem.
On 29. Januar 2015, Katrin Swoboda
(http://www.strandgut.de/aktuell/staatstheater-wiesbaden-die-laecherliche-finsternis/)
Vom Grauen auf der Welt
Selbst der Autor mischt sich ein, um eine seiner Figuren zur Räson zu
bringen, und seine Mutter moniert, dass in diesem Stück wieder mal
Frauen fehlen.
Vielleicht hat dieser Einwurf die Regisseurin ja bewogen, die Rolle des
Pussi mit Kruna Savic zu besetzen, die in roten Keilabsatzschuhen
als femininen, und im grauen Arbeitsanzug als maskulinem Attribut
vollkommen überzeugt. Gut gemacht auch, wie die Lichtregie das Publikum
durch seine in den Gerichtssaal projizierte Schatten zu Beteiligten der
globalen Ausbeutung macht. Wunderbar, in diesem mit vier Personen
in wechselnden Rollen bestrittenen Stück, wie der Ex-Frankfurter
Christian Erdt als schneidiger Hauptfeldwebel Fellner seinen noch
weichen, aber bemühten jungen Untergebenen Stefan Dorsch (mit tollem
gestischen Spiel: Ulrich Rechenbach) zurechtzustutzen weiß, und
Benjamin Jenster-Krämer, von der Sprachvirtuosität des Autors
unterstützt, eine regelrechte Freakshow von Kriegsversehrten
veranstaltet.
Eine karge Bühne und die feine Idee, einen Uralt-Campingwagen als Boot,
Haus, Versteck zu nutzen, sind die Basis für die reibungslosen
schnellen Verwandlungen des prima aufgelegten Quartetts. Schön
überdies, dass die Technik auf jeglichen Schnickschnack verzichtet. Man
verlässt das Theater beglückt und doch sehr nachdenklich. Und möchte
alle reinschicken.
„Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz feiert im Studio Premiere
Von Viola Bolduan
WIESBADEN - Das Rührei ist real. Die aufgeschlagenen und gebrutzelten
Eier sind als Klebstoff ein geeignetes Angebot ans Publikum zur
Premiere des Stücks „Die lächerliche Finsternis“ Samstagabend im
Studio. Autor Wolfram Lotz wird im Moment in Wien, Berlin, Hamburg und
Essen gespielt – nicht, weil der Hörspieltext so gut spielbar wäre,
sondern er auf dem Theater dessen Grenzen aufzeigt; seine Möglichkeiten
auch, weshalb Regisseurin Felicitas Braun mit Ausstatterin Sonja Böhm
fantasievollen Witz aufwenden, um dem Wahnsinnstrip einer Bootsfahrt
hinein in die Wälder von Afghanistan eine Fassung zu geben. Denn die
Textfassung selbst springt – von der erzählten Rückschau in die
Spielhandlung, aus der Spielsituation in die Selbstbetrachtung und auf
der messerscharfen Schneide des Zweifels. Recht hat die Pfanne mit dem
Ei, recht hat auch die Mutter des Autors: Es kommen ja gar keine Frauen
vor! Auf dieser Höllenfahrt männlicher Fantasien von Abenteuer und
Risiko, gleich: Gewalt und Geschäft, mit dem Resultat: Angst vor Leere
und Finsternis. Und also spielt dann doch eine Frau mit.
Kruna Savic ist – stark auf jeden Fall – der diplomierte somalische
Pirat auf rothackigen Schuhen, dessen persönliche Geschichte die
Bundeswehr-Expedition auf dem afghanischen Fluss nur insoweit berührt,
als Hauptfeldwebel Pellner ihn zum Schluss erschießt
Auf nackter Bühne (wo auch Figuren sich aus- und wieder anziehen
müssen) steht als Metapher fürs Boot „Hoffnung“ hoffnungslos ein
Campingwagen mit Blattgrün für Urwald, aber echtem Kocher fürs Rührei
(s. o.). Das zynisch freundliche Angebot eines verzweifelt witzigen und
traurigen Stücks über die Unmöglichkeit, die Wirklichkeit in einen Text
und/oder auf eine Bühne zu bringen. So wenig lächerlich wie die
Finsternis ist die Widersprüchlichkeit der Welt. Viel Applaus für ein
mutiges Team