Danny (verkörpert vom herausragenden Klaas Schramm) ist sauer auf die
Londoner Occupy-Bewegung. Genau vor seinem Zuhause, den Stufen der St.
Pauls‘ Cathedral, versammeln sich unzählige Demonstranten, um in
unmittelbarer Nähe des Bankenviertels der Weltmetropole für soziale,
menschliche und finanzielle Gerechtigkeit zu demonstrieren. (...)
Bei der Premiere erntete das verbliebene Ensemblemitglied Klaas Schramm
viel Applaus und Bravo-Rufe für den 65-minütigen Monolog des
erfolgreichen britischen Autors, der als Deutsche Erstaufführung zu
sehen ist.
Erfreulich, dass dem Schauspieler (...) die Chance gegeben wird, auch
die ernste Seite seines Könnens zu zeigen. Und diese Aufgabe erledigt
Klaas Schramm mit Bravour. (...)
Die erst 27-jährige Regisseurin (gibt) ihrem Protagonisten alle Möglichkeiten, sein Können auszuspielen.
"Eine beeindruckende Bühne hat auch Thilo Zürn für die deutschsprachige
Erstaufführung von Tim Prices «Protestsong» gebaut: ein Zwischending
aus Richtstätte und Baugerüst steht da in der Exerzierhalle, einem
historischen Bau etwas abseits der Innenstadt, der noch von
Vorgängerintendant Müller als Spielstätte entdeckt wurde. Im Gegensatz
zu Stefanie Graus Wasserrad wird dieses Gerüst aber bespielt: Es wird
mit Transparenten behängt, als Tribüne genutzt und ist damit eine
raffinierte Lösung für die arg konkrete Anlage von Prices
Einpersonenstück.
«Protestsong» ist schnelles Theater, laut, durchzogen von bösem Humor...
Die junge Regisseurin Felicitas Braun findet für diesen nicht
unproblematischen, aber grundsympathischen Stoff einen klugen Rhythmus,
lässt den begnadeten Performer Klaas Schramm mal kotzen, brüllen,
pöbeln, mal melancholisch seine Position reflektieren, mal das Publikum
direkt angehen. «Occupy hat mein Leben versaut», lautet der
Schlusssatz, «weil es mir Hoffnung gegeben hat.» Wer würde das nicht
unterschreiben?" (Theaterheute)
Oldenburg - Von Johannes Bruggaier.
Eben am Bahnhof ist man dem aufdringlichen Obdachlosen noch wie so oft
im großen Bogen aus dem Weg gegangen. Doch kaum sitzt man im Theater,
ist er plötzlich wieder da: schiebt sich mit fettigem Haar und kurzen
Hosen pöbelnd durch die Zuschaurreihen, bettelt um Geld, belästigt
junge Frauen.
Und diesmal gibt es kein Entrinnen, kein Wegschauen und kein Weghören.
Wobei das Letztere besonders wehtut angesichts einer enthemmten
Vulgärsprache: Wer nichts mehr zu verlieren hat, der kann eben auch die
Sau rauslassen.
„Protestsong“ heißt das Monodrama, in dem der britische Autor Tim Price
seine Erfahrungen als Teilnehmer der „Occupy“-Bewegung 2011 verarbeitet
hat.
Es spielt unter der Regie von Felicitas Braun in der Oldenburger
Exerzierhalle, eigentlich aber auf den Stufen zur St. Pauls Kathedrale
in London und damit zugleich im Zuhause des Landstreichers Danny (Klaas
Schramm). (...) Ob das auch bei einer weniger kraftvollen
Interpretation funktionieren würde? Was die Oldenburger Produktion
betrifft, so ist diese Frage müßig, Schramm gibt den Danny wunderbar
enthemmt, reizt die Grenzen der Zumutbarket voll aus, ohne sie je
wirklich zu überschreiten.
Regisseurin Felicitas Braun lässt ihren famosen Darsteller Klaas
Schramm anfangs die Möglichkeiten des Textes nutzen, das Publikum aus
der Komfortzone seiner Realität in den Alltag Dannys zu holen. Er
spielt es an, will sich mit ihm gegen die „scheiß Demonstranten“
verkumpeln, lässt den Hut rumgehen für monetäre Gaben, sammelt
Handynummern als Lebenslüge sozialer Kontakte, animiert zum Singen. Und
gibt für den Fall der Fälle schon einmal den Tipp, dass in Oldenburg
die Obdachlosenhilfe unweit der Theaterspielstätte angesiedelt ist.
(...) Zu Beginn ist die Protestbewegung ein Witz. „Occupy ist geil /
Occupy Sieg heil“, rappt Danny, genießt dann bald kostenloses Essen,
interessierte Zuhörer seiner Lebensgeschichte und meint schließlich
gerührt, die Unzufriedenheit der Polit-Aktivisten spiegele seine
eigene. Danny lässt sich eingemeinden. Möchte zurück ins Leben. Will
wieder was. Egal was. Zum Beispiel Studiengebühren abschaffen,
Bürgerrechte in Ägypten, Einstellung der Bohrungen in der Antarktis.
Und vor allem: seinen Sohn sehen. Für Danny ist Occupy keine Spielerei,
sondern plötzlich sein Leben. Ein Missverständnis. Denn irgendwann
nervt es die Platzbesetzer, dass ihre Teestube Obdachlosenkneipe ist.
Wohlfühlen geht besser im homogenen Team. Offiziell wird Danny wegen
Drogengenusses und Gewalt wieder ausgegliedert.